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Ausgesummt? - Die Situation von Wildbienen in NRW

... und anderswo.

Gelbbindige Furchenbiene (Halictus scabiosae) auf der Gleueler Wiese in Köln. Gelbbindige Furchenbiene (Halictus scabiosae) auf der Gleueler Wiese in Köln.  (Cristina Krippahl)

Wer das Wort "Biene" hört, der denkt an Honig, Imkerei und Bienensterben. Aber neben der Honigbiene gibt es in Deutschland etwa 550 weitere Bienenarten, von denen auch in NRW mehr als 350 heimisch sind. Sie werden unter dem Sammelbegriff "Wildbienen" zusammengefasst.

Während immer deutlicher wird, welche Schlüsselrolle diese Arten in unserem Ökosystem spielen, nimmt ihre Zahl rapide ab.

Aber was ist das eigentlich genau, eine "Wildbiene"? Wie leben diese Insekten und warum sind sie so wichtig? Und wo liegen die Ursachen für das anhaltende Artensterben unter den wichtigsten Bestäubern?

Bienen, einschließlich der Honigbienen, sind eine Gruppe untereinander nahe verwandter Insekten, die wissenschaftlich in der Gruppe "Apiformes" (also: "Bienenartige") zusammengefasst werden. Alle Bienen teilen einige grundlegende Eigenschaften. Die wichtigste: für ihre eigene Ernährung und als Futter für ihre Larven brauchen Bienen Nektar und Pollen von Blütenpflanzen. Beim Sammeln dieser Nahrung leisten sie unersetzliche Dienste als Bestäuber zahlreicher Wild- und Kulturpflanzen.

In der genauen Ausprägung der Lebensweise gibt es allerdings Unterschiede zwischen den Arten. Besonders die Verhaltensunterschiede bei der Wahl von Nahrungspflanzen, Vorlieben für den Ort und die Materialien zum Nestbau und die soziale Organisationsform sind unterschiedlich ausgeprägt.

Um sich die Bandbreite der unterschiedlichen Lebensweisen von Bienen klar zu machen, geht man am einfachsten von der Honigbiene aus. Sie bildet bekanntermaßen hoch organisierte, individuenreiche Staaten, in denen die Aufgaben zwischen den Mitgliedern verteilt werden. Diese Staaten können mehrere Jahre überdauern. Aus diesen Gründen sind Honigbienen in der Lage große Nahrungsvorräte anzulegen, derentwegen Menschen anfingen sie als Haustiere zu halten. Sie stehen an einen Ende der Skala.

Fast alle anderen Bienen sind Einzelgänger. Jedes Weibchen paart sich mit einem oder mehreren Männchen (die bald darauf sterben), baut ein eigenes Nest, legt einige Eier, versorgt diese mit Vorräten und stirbt nach etwa vier bis sechs Wochen. Im Laufe eines Jahres entwickeln sich die Eier zu ausgewachsenen Bienen, schlüpfen, und der Zyklus beginnt von vorne. Diese "solitäre" Lebensweise ist mit Abstand die häufigste unter Bienen. Zwischen den beiden Extremen existieren auch einige  Zwischenstufen. Bei manchen Arten beziehen beispielsweise mehrere Weibchen gemeinsam ein Nest, aber jedes Tier versorgt eigene Eier. Hummeln, die neben der Honigbiene die bekanntesten Bienen sind, bilden arbeitsteilige Staaten. Diese bestehen aber jeweils nur einen Sommer lang.

Ein gänzlich anderes Lebensmodell verfolgen die sogenannten "Kuckucksbienen". Als Brutparasiten legen sie ihre Eier in die Nester bestimmter Wirtsarten und lassen diese dort mitverpflegen. Obwohl sie rund 25 % der heimischen Bienenarten ausmachen, ist ihr ökologischer Einfluss geringer als der von sammelnden Arten. Denn da sie selbst keine Nahrung für ihren Nachwuchs sammeln, sondern nur wenige Blüten zur Eigenversorgung besuchen, spielen sie als Bestäuber eine untergeordnete Rolle

Während Bienen im Allgemeinen eine Vorliebe für trocken-warme Offenlandlebensräume zeigen, unterscheiden sich ihre Ansprüche an Nistplätze je nach Art. Einige Bienen nisten oberirdisch, z.B. in Pflanzenstängeln, Felsspalten, Mauerfugen oder sogar leeren Schneckenhäusern. Aber rund 75 % der nestbauenden, heimischen Bienen graben Nistgänge in den Erdboden. Dafür bevorzugen sie in der Regel vegetationsarme Flächen. Was zunächst aufgrund der Ernährungsweise paradox erscheint, hat einen einfachen Grund: Bienen orientieren sich visuell an markanten Wegpunkten und können auf dicht bewachsenem Boden ihre Nester nur schlecht wiederfinden.

Des Weiteren gibt es bei Bienen große Unterschiede in der Wahl ihrer Nahrungspflanzen. Individuenreiche Arten wie Honigbienen und Hummeln müssen ein breites Spektrum an Blüten nutzen. Denn keine Pflanzenart liefert über das gesamte Jahr soviel Pollen und Nektar, dass sie ihre Staaten damit versorgen könnten. Andere Bienenarten sind z.B. durch ihren Körperbau oder ihre Aktivitätszeiträume eng an betimmte Nahrungspflanzen gebunden. Diese Spezialisierungen sind bei manchen Arten so stark ausgeprägt, dass sie nur eine einzige Pflanzenart als Nahrungsquelle nutzen.

Der Unterschied in der Ernährungsweise ist aus einem Grund besonders wichtig: während die sogenannten "Pollengeneralisten" viele Blüten anfliegen und dabei eine große Anzahl Blüten besuchen, ist die Qualität der Bestäubung bei spezialisierten Arten meist deutlich höher. Ihre Körper und die Blüten ihrer Nahrungspflanzen sind durch Koevulotion aneinander angepasst. Deshalb funktioniert die Übertragung von Pollen bei diesen Paaren deutlich effektiver oder sogar nur auf diesem Weg. Das Phänomen tritt auch bei zahlreichen Kulturpflanzen auf: Tomaten, Paprika und andere können durch Honigbienen nicht oder nur unzureichend bestäubt werden. In diesen Kulturen werden kommerziell gezüchtete Hummelvölker zur Bestäubung eingesetzt. In Obstkulturen werden mit zunehmender Tendenz Mauerbienen angesiedelt, da die Ernteerträge dadurch insgesamt höher ausfallen. Aufgrund der aktuellen Probleme der Honigbienenhaltung (Varroamilbe, "Bienensterben") wird auch in anderen Nutzpflanzenkulturen zunehmend mit Alternativen zur Honigbiene experimentiert.

Eine kürzlich abgeschlossene, breit angelegte Feldstudie renommierter Wissenschaftler (GARIBALDI et. al. (2013): Wild Pollinators Enhance Fruit Set of Crops Regardless of Honey Bee Abundance - Science 339, 1608) sorgte vor allem durch eine Erkenntnis für Aufsehen: während die tragende Rolle bei der Bestäubung von Nutzpflanzen bisher zu großen Teilen der semidomestizierten Honigbiene zugeschrieben wurde, scheint tatsächlich für die meisten Nutzpflanzen eine gesunde Mischung aus Honigbienen, Wildbienen und anderen Insekten die höchsten Erträge bei größtmöglicher Ertragssicherheit zu gewährleisten. Sollten sich diese Ergebnisse weiter bestätigen, muss ein Kurswechsel einsetzen. Allerdings bleibt die Frage, in welcher Intensität und Geschwindigkeit dieser Wandel kommt. Denn davon ist abhängig, ob die übrigen Wildbienenbestände dauerhaft geschützt werden können.

Allein in NRW gelten bereits über 12 % der Bienenarten als ausgestorben, viele weitere als stark gefährdet. Extensiv genutzte, strukturreiche Lebensräume die in der Vergangenheit die mitteleuropäische Landschaft prägten, existieren kaum noch. Flächenverbrauch und Zersiedelung der Landschaft schränken die Lebensbedingungen vieler Organismen ein. Mit der Vielfalt an Strukturen verschwinden die Nistplätze und viele Nahrungspflanzen für Bienen. Die intensive Agrarproduktion trägt durch großflächige Monokulturen und hohen Pestizideinsatz ein Übriges zur Situation bei. Die Kombination dieser Faktoren ist auf Dauer tödlich für alle Bienen!

Nicht zuletzt aus Eigeninteresse müssen deshalb schnell wesentlich drastischere Maßnahmen als bisher zum Schutz von Wildbienen umgesetzt werden. Die verbliebenen Habitate müssen unter strengen Schutz gestellt werden, die Finanzmittel für Erhaltungs- und Pflegemaßnahmen dieser Biotope nachhaltig sichergestellt werden. Eine weniger an Profit als an ökologischer Nachhaltigkeit orientierte Landwirtschaft muss etabliert werden, damit die industriellen Agrarwüsten durch vielfältige Agrarökosysteme ersetzt werden. Denn je höher die Diversität in einem Ökosystem, desto stabiler ist es. Und nur in stabilen Ökosystemen können auch die nächsten Generationen Menschen auf Dauer überleben. Dies gilt ganz besonders in Bezug auf die Vielfalt an Wildbienen. 

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