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Mode mal anders konsumieren im IGLUgUG

08. Dezember 2021

Über das Gespräch in einem nachhaltigen Geschäft, das neue Maßstäbe setzen und die Modeindustrie erneuern will.

Das IGLU im Kölner Agnesviertel  (Bruno Kanter)

Von außen wirkt das IGLU im Kölner Agnesviertel wie ein gewöhnliches kleines Modegeschäft. In den großen Fenstern liegen diverse Klamotten und der Blick in den Laden verlockt viele der Vorbeilaufenden, das Angebot etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Dass IGLU ist allerdings kein Geschäft von der Stange. Das wird schon beim Blick auf das Schild über der Eingangstür deutlich. Da steht: IGLUgUG. Kein besonders catchiger Name. Aber das gUG hat eine Bedeutung. Es steht für gemeinnützige UnternehmerInnen Gesellschaft. Vor ein paar Jahren hatte sich Katharina Partyka, die Gründerin des wenige hundert Meter entfernten Shops „kiss the inuit“ (ebenfalls ein Laden der nachhaltigen Konsum in den Vordergrund rückt) dazu entschieden, diese Gesellschaft zu gründen und den Schritt zu wagen, den Laden auf eine neue Art des Modekonsums auszurichten.

Ich habe das Geschäft besucht und mit Judy, einer der beiden Angestellten, gesprochen.
Sie erklärt mir das Konzept, das man sich überlegt hat, um die KundInnen von dem neuen Ansatz zu überzeugen: Im vorderen, lichtdurchfluteten Bereich, wird allerlei nachhaltige und vor allem ökologisch-fair produzierte Ware angeboten. Und das zu einem erschwinglichen Preis, denn es ist „Mode aus der Vorsaison“. Das heißt hier wird man sich nicht dem ständigen Druck nach neuen Kollektionen und der dafür notwendigen „Fast-Fashion“ beugen. Das Ziel ist es, die Menschen davon zu überzeugen, dass auch nachhaltige Mode „cool“ sein kann. Und tatsächlich sieht das, was von den gelben Ständern hängt und in den Regalen liegt, nicht weniger modern oder hip als anderswo. Vielmehr zeitlos. Es sei aber auch notwendig den Menschen das Konzept näherzubringen. Einer Kundin, die das Geschäft ihrer Aussage nach zuvor noch nicht betreten hat, aber immer dran vorbeigelaufen sei, erklärt Judy kurz wie der Laden funktioniert. Sie erklärt, dass man neben der Kaufoption auch die Möglichkeit hat Kleidung zu tauschen. Durch eine große Scheibe hinter der Kasse kann man in den hinteren Teil des Ladens blicken. Hier liegen ordentlich sortiert Herren, Damen und Kinderkleidung. Second-Hand. Nicht ganz ohne Stolz sagt Judy, was für ein Konzept hier ausgearbeitet wurde. „Wir bieten verschiedene Abonnements an“, sagt sie und reicht mir einen Flyer. „Für fünf Euro monatlich kann man uns ganz ohne Gegenleistung unterstützen“. Was erst mal recht reizlos wirkt, ist unerlässlich für das IGLU und dessen Finanzierung, wie sich noch herausstellt.
„Für 15 Euro schließt man ein Tauschabo ab. So kannst du immer wann du magst unser Tauschangebot wahrnehmen. Du suchst dir ein oder mehrere Teile aus und bringst im Gegenzug dazu im gleichen Wert Teile mit. So dass immer genug zum Tauschen da ist“. Das dritte Abomodell kostet 25 Euro und ist im Prinzip das gleiche wie das erste, nur dass man zusätzlich monatlich einen 25 Euro Gutschein für das Einkaufen im vorderen Bereich hat.

„Das war so unsere Idee, Second-Hand und alternative ökologische Mode zu vereinen. Wir befinden uns ohnehin in einer Findungsphase. Seit der Gründung probieren wir viel aus und schauen was Anklang findet. Und natürlich müssen wir auch über die Runden kommen und etwas verdienen.“ Reich wird man jedenfalls nicht, das wird mir recht schnell klar. Denn mit dem Entschluss, eine gUG zu werden, bindet man sich einiges an Bürden auf. Als gUG ist man dazu verpflichtet, die eigene Gemeinnützigkeit nachzuweisen und darf das Geschäftsmodell nicht auf ökonomische Interessen ausrichten. „Die Einnahmen reichen meist gerade aus um uns Beschäftigte und die Ladenmiete zu zahlen, denn wir zahlen viel für das Geschäft“, sagt Judy. „Und als kleines Unternehmen haben wir auch kaum Kapazitäten für professionelle Beratung. Große gUGs (gGmbHs) haben es da meist etwas leichter. Denn die Bürokratie ist wirklich aufwendig.“ „Auch sind wir von externen Geldgebern abhängig.“ Das sind keine Spenden sondern Projekte die vom IGLU mitgeführt werden und so Geld von den Projektbetreibern einbringen. Dass einem nachhaltigen Unternehmen solch Steine in den Weg gelegt werden, sei einfach nicht verständlich. „Die Politik unterstütz einen da kaum. Alle reden zwar von Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Naturschutz, aber trotzdem werden Geschäfte die auf die Ausbeutung von Ressourcen ausgelegt sind, besser gefördert als solche Ansätze.“
Die Frau von vorhin betritt den Second-Hand Bereich in dem wir mittlerweile stehen und schaut sich um. Judy erklärt der Dame kurz das Konzept. Dass es auch in Ordnung ist, nicht genauso viele Teile mitzubringen wie man sich nimmt, solange es sich im Rahmen hält.
Ein Projekt, das das IGLU unterstützt, ist das Jeans-Recycling. Im Laden steht eine blaue Tonne, in der alte Jeans gesammelt und dann recycelt werden. So könne man nicht nur neue Konzepte für nachhaltigere Mode unterstützen sondern auch das Geschäft finanzieren.
An der Wand gegenüber der Tonne hängt eine Fülle an Zeitungsartikeln über das IGLU und auch einer über das Jens-Recycling. Das Problem scheint also schon wahrgenommen worden zu sein. Warum werden dann nach wie vor die konservativen und nicht besonders zukunftsfähigen Geschäftsmodelle gefördert? „Das ist einfach wie in der Landwirtschaft“, sagt Judy. „Die Subventionen werden nicht nach Wert sondern nach Fläche verteilt. In unserem Fall jetzt Größe.“
Ich frage mich, ob das Konzept der gUG nicht sogar einen ganz entscheidenden Vorteil während der Zeit der Schließungen im Frühjahr hatte. Denn als Laden, der weder auf Gewinn ausgerichtet noch davon abhängig ist, bräuchte man sich nicht um Einnahmeausfälle zu kümmern. Wäre das nicht gerade zu symbolisch gewesen für das fehlerhafte System, in dem es zu sehr um Gewinn geht und weniger um den Mehrzweck der erzielt werden kann? Aber Judy schüttelt etwas resigniert den Kopf.
„Auch bei uns war die Zeit der Schließung sehr schwierig. Unsere Förderungen sind ausgelaufen und natürlich brauchen auch wir die Einnahmen aus dem Verkauf im Geschäft. Auch die Spenden und Erlöse der Tauschaktionen die wir regelmäßig veranstalten, sind weggefallen. Das war also eher kein Vorteil.“
Die Frau die sich im Second-Hand Bereich umgesehen hatte, kommt dazu und stellt sich zu uns.
Sie sagt, dass sie ein kleines Geschäft hat, in dem sie selbstgenähte Kleidung z.B. Mützen verkauft.  
Während der Schließungen sei sie beinahe bankrottgegangen. Sie hätte 2000 Euro für ein halbes Jahr gehabt. Müsste sie noch einmal zu machen, würde ihr Laden das wohl nicht verkraften.
Man könnte meinen, dass es gerade die Geschäfte am schwierigsten haben, die versuchen nachhaltig zu wirtschaften. Das würde der Realität aber einfach nicht gerecht. Oder dass es die konventionellen Geschäfte sind, die ob ihrer finanziellen Abhängigkeit die fehlenden Einnahmen am stärksten spüren. Offensichtlich ja nicht. Denn das IGLU kann sich trotz seiner ungewöhnlichen Finanzstrukturen nicht zurücklehnen. Und was ist das Wollgeschäft der Dame mit den Mützen demnach für ein Geschäft? Finanzielle Unsicherheit trotz nachhaltiger Grundstruktur.

Es ist eindeutig klar geworden, dass die einseitige Förderung der konventionellen Betriebe, in allen Bereichen, so nicht funktioniert. Der Kundin jedenfalls hat das Konzept gefallen. Und das muss es noch vielen weiteren, bis eine Wende im Modemarkt stattfindet. Die Leute seien es einfach nicht gewöhnt Geld für gute Kleidung auszugeben. Die meisten seien verwöhnt von der billigen Angebotsfülle. Etwas mehr für etwas wirklich Gutes auszugeben, sei für viele noch ungewohnt. Das müsse man einfach zur Normalität machen.

In dem schönen Laden steckt, das habe ich gemerkt, viel mehr als man von außen meinen könnte; ein richtiges IGLU halt.

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Bruno Kanter
 

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